Am 01.09.12 ging mein großes Abenteuer los. Seither sind mehr als 10 Monate vergangen und mein Aufenthalt in Ghana neigt sich so langsam dem Ende zu. Da wir am 28ten Juni die Kinder in die so genannten Mid-Terms entlassen haben, ist damit auch meine Arbeit an der SWIS beendet gewesen. Man glaubt es kaum, wie schnell die Zeit vorbei gegangen ist. Letzte Woche wurde ich mal wieder gefragt „Und wann geht’s wieder zurück?“ Da musste ich zum ersten Mal die Antwort geben: diese Woche! NUR NOCH DIESE WOCHE!
Wie ich in meinem letzten Blogbericht bereits erwähnt habe, freue ich mich schon wieder total nach Hause zu kommen, in eine mehr oder weniger gewohnte Umgebung. Klar ist es nicht mehr so, wie ich Deutschland letztes Jahr verlassen habe. Viele meiner Freunde sind inzwischen in verschiedene Städte gezogen und leider habe ich inzwischen auch meine zweite Oma verloren. Aber so ist das, die Welt steht ja nicht still, während ich nicht da bin. So dreht sich halt alles weiter und alles verändert sich. Auch bei mir selber habe ich gemerkt, dass mich der Freiwilligendienst ganz schön geprägt und verändert hat.
Insgesamt sehe ich dem Ende jetzt schon mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegen, genau wie ich dem Anfang mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegen gesehen habe. Deja Vu.
In den 10 Monaten habe ich mir hier ein ganz eigenes und selbstständiges Leben aufgebaut, neue Freunde und meinen Freund gefunden. Auch wenn es wahrscheinlich kein endgültiger Abschied wird, so wie jetzt wird es trotzdem nie wieder. Im Moment fühle ich mich hier ziemlich heimisch, wenn ich das nächste Mal komme, dann werde ich es als Tourist tun. Außerdem werden auch die anderen Freiwilligen, die hier mit mir zusammen ihren Dienst geleistet haben dann wieder in ganz Deutschland verstreut sein.
Situationen wie diese gibt es ständig. Erst letztes Jahr wurden wir für immer aus der Europaschule entlassen. Abschiede oder ein Ende hat jeder Abschnitt des Lebens einmal. Meistens beginnt dafür dann ein neues Abenteuer. Für mich wird das wahrscheinlich sein, an die Uni zu gehen um zu studieren. Jeder von uns hat das schon mal durchgemacht, immer begleitet von einem etwas mulmigen Gefühl. Man sollte sich nur nie von dem Gefühl abbringen lassen, denn wenn man immer bei dem Gleichen bleibt und nichts Neues wagt, dann kann man auch dieses Hochgefühl nicht empfinden, was man meistens hat, wenn etwas Neues beginnt.
Bei mir hat dieses Hochgefühl ungewöhnlich lange angehalten, ca. 6 Monate. Es ist normal wenn man am Anfang erstmal eine Euphorie für das Neue und Ungewohnte empfindet. Diese „honeymoon-Phase“ hält durchschnittlich ungefähr 3 Monate an, dann sollte man sich einigermaßen eingelebt haben. Bildlich gesprochen hat man während dieser Phase eine Rosarote Brille auf und nimmt meistens nur die positiven Dinge war.
Wenn man sich einmal richtig eingelebt hat, dann sieht man alles noch mal mit ganz anderen Augen. Vor allem als mein Vater und mein Bruder mich besucht haben, wurde ich auch auf die negativen Seiten Ghanas hingewiesen und habe meine rosa-rote Brille zum ersten Mal abgesetzt.
Schlimm finde ich den Müll, den man hier überall auf den Straßen sieht. Zu dem Müll kommt dann auch ein etwas unangenehmer Geruch, den Müll normalerweise mit sich bringt. Es gibt zwar eine Müllabfuhr, die so genannten „Zoomlions“ aber das Unverständnis über Umweltverschmutzung ist hier noch nicht so gegeben, die Leute haben meistens genug andere Probleme um sich mit so etwas zu befassen. Man muss sagen, dass es aber nicht in allen Regionen so vermüllt ist. Die Central Region, wo ich wohne, ist nur leider sehr davon betroffen. In der Volta Region zum Beispiel ist es nicht unnormal öffentliche Mülleimer auf der Straße zu sehen.
Während ich mit meiner Familie in Kumasi war, musste ich ins Krankenhaus, weil ein Taxi zu nah an mir vorbei gefahren ist und mein Bein gestreift hat. Sofort haben uns 2 Menschen den Weg zum Krankenhaus gezeigt und auch dort wurde ich sehr freundlich empfangen. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Arzt zwar sehr kompetent schien, aber leider die medizinischen Möglichkeiten fehlten um die Wunde ordentlich zu verbinden. Zur Sicherheit habe ich auch noch eine Impfung bekommen. Allein das Desinfizieren der Wunde und die Impfung haben mich über 30 Cedis gekostet. Für mich war es kein Problem, die Kosten zu tragen, aber für viele der Einheimischen ist dies nicht möglich, wenn man sieht, was das durchschnittliche Einkommen in Ghana ist.
Dazu kommen die Bauruinen, die vor allem im Süden sehr oft anzufinden sind. Häuser sind sicheres Kapital und mal ehrlich wer träumt nicht von seinem eigenen Haus?! Also wird sobald ein bisschen Geld zusammengespart ist, direkt angefangen zu bauen. Gebaut wird dann solange, bis kein Geld mehr vorhanden ist, dann wird gestoppt und bei Gelegenheit immer mal wieder ein bisschen weitergebaut. So sehe ich es jetzt, am Anfang habe ich diese vielen angefangenen Häuser eher als Symbol des Aufschwungs und kommenden Wohlstands in Ghana angesehen.
All das hat mich aber daran erinnert, dass ich im Moment in einem Entwicklungsland lebe. Im alltäglichen Leben vergisst man das viel zu leicht! In meiner Familie und auch in meiner Freizeit habe ich eigentlich kaum etwas an „deutschem“ Luxus vermisst, ich hatte fließend Wasser und Strom (meistens), einen Internetzugang und immer genug zu Essen, da merkt man im Alltag gar nicht mehr, dass das noch lange nicht Standard für alle Menschen hier in Ghana ist. Deshalb bin ich im Moment auch sehr motiviert, nach meinem Aufenthalt in Ghana die Bande nicht zu kappen und vielleicht finde ich in der Zukunft, wenn ich ordentlich ausgebildet bin, ja eine Möglichkeit, wie ich als Individuum zur „Entwicklung“ des Landes beitragen kann. Und ich hoffe, dass ich euch mit meinen Berichten ein bisschen zum Nachdenken anregen konnte.
Um euch nun vielleicht noch ein bisschen weiter zum Nachdenken zu bringen möchte ich euch noch wärmstens den letzten Blogeintrag von Tomma, meiner Gastschwester empfehlen. Er ist richtig gut geschrieben und spricht mir wirklich aus dem Herzen.
Last but not least möchte ich jetzt noch mal meiner Familie, aber auch allen meinen Sponsoren und meiner Organisation danken. Ihr habt mir dieses unvergessliche Jahr möglich gemacht. VIELEN DANK!
Und natürlich auch ein Dankeschön an all die, die sich immer wieder aufs Neue meine Blogeinträge durchlesen. Dies bestärkt mich darin an den Sinn des Freiwilligendienstes zu glauben, dieser ist nicht die Entwicklung des Landes voran zu treiben, sondern einen Austausch von verschiedenen Kulturen her zu stellen!
Bis bald in Deutschland,
eure Sandra